Ein Beitrag von Nicola Ebert

So, und nun hier mein erster, handgeschriebener Blog.

Was für ein tolles Format so ein Blog doch bietet: einfach meine Meinung, Erfahrung, persönlich mit Euch geteilt. Und dies in der klaren Erwartung Eurer Kommentare, seien es Anregungen, Fragen oder  Eure Erlebnisse, die Ihr mit mir teilen wollt. Mailt mir gern!

Das klingt doch schon im ersten Absatz sehr nach AAP, oder?

Es soll gehen um die sehr persönliche Verbindung zwischen der AAP und dem Barbershop Gesang. Genauer, um den Einsatz der AAP bei den von mir durchgeführten Aufwärmübungen, genannt  Warm-ups, meinen Coachings und Singen. Dieser Blog erhebt keinerlei Anspruch auf vollständige Erklärungen beider Bereiche!

Kurz zu mir. Die AAP kenne ich nun mein halbes Leben und bin seit fast 20 Jahren auch AAP Trainerin. Mit viel Energie und Verve habe ich mich damals in die Ausbildung geworfen und war in puncto Zertifizierung ein Versuchskaninchen! Geprüft von Horst Coblenzer und Adelheid Ganz Wetter, bevor  nach und nach die heute bestehende Struktur erfolgreich geschaffen wurde. Ich wusste, ich lernte etwas Fantastisches, es fühlte sich gut an, allein ich wusste nicht, warum das so war. Gut im Lernen, Vermitteln, Wissen, aber – das weiß ich jetzt – noch lange nicht im Tun. Vieles habe ich nachgeahmt in der Hoffnung, dass es „richtig“ sei. Ich bin sehr stolz, zu den Gründungsmitgliedern der heutigen DVAAP zu gehören, aber kurz danach ging es auch erst einmal für zehn Jahre ins Ausland. Drei Kinder und u.a. drei Jahre in Japan – Kommunikation mal auf einem ganz anderen Blatt. Obwohl ich weiterhin mit Klienten in den jeweiligen heimischen Wohnzimmern arbeitete, war ich noch immer nicht im “Tun”, noch immer nicht wirklich angekommen in dem, was ich in den Möglichkeiten der AAP erahnte. Das änderte sich allerdings schlagartig, als ich mich endlich traute, selbst zu singen!

Zeitsprung.

In Berlin entdeckte ich über unsere amerikanische Schule  die amerikanische oder angelsächsische Art und Weise, Musik zu vermitteln. Ich empfand dies als so wohltuend, inspirierend, locker und erfolgreich – in meinem ersten (klassischen) Chor singe ich noch immer. Die freie, unverstellte Kommunikationsweise erlaubt meinem Empfinden nach (!) oft schnelle und erfolgreiche Interventionen, die mir oft fehlten bei  mir selbst, ChorleiterInnen, TrainerInnen und vielen anderen Lehrenden. Von vornherein wurden Aufgaben freundlich situativ eingebettet, mit allen Sinnen angeboten. Das ist sicher ein Thema für sich, ebnete mir aber an dieser Stelle den Weg in den…

… Barbershop Gesang! Vierstimmig,  A Cappella, ohne Noten in der Hand, Musik nicht absingend, sondern vollkommen in der Präsentation. Ich traute mich, meinem ersten Barbershop Chorus beizutreten (betont meinem ersten, denn nun singe ich in verschiedenen Quartetten, Choruses und Ensembles mit größter Begeisterung – und längst nicht mehr nur in Deutschland.)

Zur gleichen Zeit nahm ich wieder Kontakt auf zu meinen AAP KollegInnen. Es hatte sich viel verändert im Verein zwischen Neuorientierung und Rückbesinnung, aber neue und “alte” Gesichter zu treffen war, wie zurück nach Hause zu kommen! Denn ich hatte mein “Tun” im Singen gefunden, und damit wurden die AAP und alle damit befassten Menschen endlich lebendig für mich! Nicht lange und ich mischte – bis heute mit viel Freude – im Vorstand mit.

Zeitgleich übernahm ich, die ich sonst so lang so passiv war, den Posten der Warm-up Lady in unserem Barbershop Frauenchorus. Es hielt mich nichts mehr auf dem Stuhl, endlich wusste ich, wieviel ich mit Hilfe der AAP zu geben hatte. Ich bin noch lange keine Expertin für Barbershop, aber in der vollen Überzeugung, dass sich diese beiden Größen in einem Leben auf das Beste verbinden, biete ich nun zusätzlich Gruppen- und Einzelcoachings an, neben den wöchentlichen physical and vocal warm ups.

Medias Res.

Die kombinierten Warm-ups in meinem Chorus dauern bis zu 30 Minuten. Das ist manchen zu lang, weil sie doch eigentlich zum Singen gekommen sind. Ja, gern den Alltag durch ein bisschen Bewegung abstreifen, ein bisschen die üblichen Tonleitern absingen, aber dann bitte mit der Probe beginnen. Es braucht manchmal noch immer Überzeugungsarbeit – sowohl bei neuen als auch langjährigen Sängerinnen – zu verstehen, dass Aufwärmen und Singen keine voneinander getrennten Teile sind, sondern sich immer aufeinander beziehen müssen.

Keine “Übung” steht für sich im luftleeren Raum. Zu Beginn gibt es immer ein fetziges Lied aus der Konserve, nach dem sich jede nach eigenem Gusto bewegen kann – wir haben Frauen zwischen 25 und 75! Aber schon hier sind sie angehalten, in Kontakt zugehen, den Blick zu heben und sich gemeinsam mit den anderen wahrzunehmen. Neben Konservenmusik kommen auch häufig Kreistänze und Rhythmusspiele und -aufgaben zum Einsatz.

Unser Körper ist unser Instrument. Die bewusste Miteinbeziehung unseres Körpers erleichtert dem Erfolgsorgan Kehlkopf die Arbeit und führt zu einer größeren Resonanz. Diese ist natürlich immer erstrebenswert, aber besonders im Barbershop Gesang zu beachten, da der berühmte “blend” bestimmte Frequenzen so verstärkt, dass die Obertöne klingeln und aus einem normalen Chorklang ein riesiger Klangteppich wird. Die Ohren sind immer “eingeschaltet”, um uns allein und im Kontakt mit den anderen zu hören und abzustimmen.

Körpereinsatz ist nicht zu verwechseln mit möglichst viel Bewegung und Gewedel auf der Bühne.  Vielmehr ist Präsenz gefragt, eine wache Zuwendung zum Publikum, Offenheit und  eine dem Lied angemessene Spannung. Denn: wir erzählen eine Geschichte, und die spiegelt sich wie bei jedem guten Erzähler im Körper, dem Atem, Gesicht und den Augen wider.

Wir erleben, dass unsere Bewegungen und Töne absichtsvoll, intentional sind, selbst Tonleitern und Akkorde werden mit Vorstellungsbildern verbunden. Auch im Warm-up gibt es immer Gegenüber, wir erwarten eine Antwort auf unser Tun und achten dabei darauf, wie sich unsere innere und äußere Haltung, unser Klang verändert. Dieser ” performance mode” bringt mit sich, dass wir von Anfang an präsent sind, uns nicht verstecken, sondern – je nach Persönlichkeit – zeigen, was wir durch das Lied mitteilen möchten. Niemand muss zum überdrehten Showgirl werden, aber die Bereitschaft zeigen, als Teil des Choruses mimisch und gestisch anwesend zu sein. Ein Chorleiter sagte letztens zu mir, keiner achtet auf die funktionierenden Lämpchen in der Lichterkette, es werden die Birnen gesehen, die nicht brennen…

Und so kommen wir zu dem sogenannten Herzstück der AAP: Atem und bewusster Einsatz des Zwerchfells.  Unter uns Barbershoppern – Tim Waurick muss ein AAP-ler sein! Jeder Warm-up geschieht unter Einbeziehung unseres Zwerchfells. In meinem Singerleben sitzt da auch mein Herz…! Der Muskel will trainiert werden – und das natürlich nie mechanistisch, sondern immer intentional, um gemeinsam mit plastischer Artikulation zu einem lebendigeren Ausdruck zu gelangen. Präsent, ganzkörperlich und ohne nach Luft schnappen zu müssen. Ökonomisch und leicht mit der Atemluft, die uns darüber immer zur Verfügung steht. Am Ende vieler Barbershop Songs, dem „tag“, finden wir sogenannte „posts“,  das sind lange, z.T. sehr lange Phrasen, die durchgesungen werden. Und ich darf behaupten, dass ich mich dank der lebendigen inspiratorischen Gegenspannung (statt der statischen Stütze) überhaupt nicht verstecken muss – im Gegenteil!

Die Einbeziehung des Zwerchfells und die daraus resultierende ökonomische  Atmung löst sowohl bei der SängerIn als auch bei der Zuhörerschaft ein intensiveres Erleben aus und das sollte ja auch Sinn und Zweck der Darbietung sein. Der freudige Austausch zwischen Bühne und Publikum, das Zwiegespräch   sozusagen. Wir alle wissen, wie es sich anfühlt, wenn am Ende der Schlussphrase die Spannung gehalten  wird, atemlos, um dann seufzergleich  gelöst zu werden, hüben  wie drüben. Wissenschaftlich erklärt werden kann das durch die Theorie über die Spiegelneuronen, aber gefühlt und angestrebt wird dieses Erleben schon lang in der AAP. Sprechen und Singen von Herz zu Herz, von Zwerchfell zu Zwerchfell.

Wenn wir in unseren Chorus Warm-ups an unserer Artikulation arbeiten, geht es natürlich wie im Sprechen auch um Deutlichkeit. Aber es kommt uns insbesondere an auf die Vokale an, die im Artikulationstrakt so gebildet werden müssen,  dass sie einheitlich die Frequenzen bilden und verstärken, die den charakteristischen „ring“ auslösen. Diese Obertöne, die die SängerInnen suchen, und die das Publikum den Gesang als einzigartig und wohltuend empfinden lassen. Da helfen natürlich anatomische Beschreibungen, um z.B. den weichen Gaumen zu heben, aber bei uns verwenden wir auch gern Bilder wie:  denkt Euch, jemand flüstert Euch die Lottozahlen von nächster Woche zu, oder: Ihr habt nach zwei Jahren Euren Diamantring im Flokati entdeckt, oder: der Heiratsantrag, endlose Möglichkeiten des Gaumenlüpfens. Intentional , mühelos und schnell.

Letztendlich ist ja der Barbershop Gesang, der nun zu so einer hohen Kunstform und Obertonmusik geworden ist, im Grunde nichts anderes, als dass sich vor Jahrzehnten und Jahrhunderten ein Melodiesänger hat begleiten lassen von drei anderen, die  passende Harmonien zur Begleitung „rausgehauen“  haben, das nennt man bis heute „wood shedding“. Es gilt also dieser Tradition folgend, den Spagat zu bewerkstelligen, lässig zusammen zu singen, aber dabei die perfekten Harmonien zu erzeugen. Sprich, natürlich, authentisch zu sein, zu unterhalten, nahbar , im Kontakt. Auf der ganzen Welt arbeiten Barbershopper auf ihre unzähligen Conventions hin, den Ort, an dem sie sich in über 60 Kategorien freundschaftlich mit anderen Quartetten und Chören messen. Da sitzt jedes Detail, vom Make up bis zur kleinsten Geste.  Schaut man sich diese perfekten Darbietungen an, bei denen sich z.T. überirdisch schöne Klänge mischen mit makellosen Choreografien, fragt man sich schon mal, ob das Singen denn noch so authentisch und nahbar ist. Die Seele des gemeinschaftlichen Gesangs zeigt sich dann aber im Afterglow, dem Nachglühen nach den Wettbewerben. Dann wird bis in die frühen Morgenstunden mit gelöster Krawatte, verrutschtem Krönchen und leicht verschmiertem Make up sich die Seele aus dem Leib gesungen. Jeder Barbershopper wird bestätigen, dass dies der wahre Hochgenuss ist.

Schlußwort.

Was ist denn nun zusammengefasst so einzigartig an der Kombination AAP und Barbershop Singen? Ganz sicher wenden doch viele ChorleiteInnen längst bewusst oder unbewusst viele unserer Prinzipien an, entstauben mechanisches Üben und bringen Freude und Leichtigkeit in die Proben.

Da kann ich tatsächlich nur ganz persönlich sagen, dass aber genau diese Kombination mein Leben verändert hat. Wie ich mich wahrnehme und wahrgenommen werde. Um im Bild zu bleiben, von der letzten Reihe hinterm Notenblatt versteckt, nach vorn strahlend in die erste Reihe, ohne eine überdurchschnittliche Sängerin zu sein (wenn auch mittlerweile mit zwei nationalen Gold- und einer Bronzemedaille in der Weltmeisterschaft der gemischten  Chöre…;)) Aus der Theorie ist Praxis geworden, das „Tun“ hat eingesetzt.

Die Erfahrungen aus beiden Bereichen bringen für mich auf den Punkt, was ich vermitteln will:

  • Freude im und am Ausdruck
  • Zu lernen, die Komfortzone zu verlassen, um Neues zu erfahren und lebenslang zu lernen
  • Zu unterhalten
  • Im Austausch untereinander und mit dem Publikum zu sein
  • Ökonomisch zu handeln, in Balance, sei es der Atem oder der angemessene körperliche Ausdruck
  • weg vom eitlen Showgebahren oder dem Sich-Verstecken hin zum ureigenen Ausdruck
  • Gemeinschaft

Frage: braucht danach noch jemand Therapie?

Wer das jetzt „live“ erleben möchte, oder Fragen hat, kann:
Mich immer ansprechen. Oder sich (sowieso) bei  BinG  (www.barbershop.de) informieren.
Oder zu unserer Mitgliederversammlung im Frühling auf den Hesselberg kommen. Ich konnte einen der führenden deutschen  Barbershopsänger und -coach für unsere Tagung gewinnen. Da werden sicherlich einige „tags“ gesungen und kräftig nachgeglüht am Abend. (SAVE THE DATE: 15.-17. März 2019)

Ich freue mich auf Eure Anmerkungen, Erfahrungen…

Einen herzlichen Gruss aus Berlin!