Ein Beitrag von Mona Deibele

Ja, und um die 50 kann das noch einmal besonders spürbar sein.
So geht es mir. Denn jetzt beginnen die Wechseljahre.

Vor 100 Jahren gab es dieses Thema noch gar nicht! Denn die Lebenserwartung von Frauen war damals viel geringer als heute – sogar geringer als die der Männer. Und heute? Schon die nächste Frauengeneration wird mit 50 wortwörtlich erst in der Mitte ihres Lebens angekommen sein. Dann liegt ein halbes Jahrhundert Kommunikation noch vor uns. Deshalb lohnt es sich, auf die stimmlichen Veränderungen einmal genauer einzugehen.

In dieser Zeit muss die Stimme im Alltag mehr leisten denn je. Das Geflecht von Familie-Arbeit-Freundeskreis ist in diesem Zeitraum weiter gespannt als in allen anderen Lebensphasen. Da kommen wir oft an unsere Grenzen. Auch stimmlich. Eine ermüdende Stimme, Heiserkeit oder brüchiger Stimmklang können Anzeichen dafür sein. Oft strapazieren wir unsere Stimme auch, ohne weiter darüber nachzudenken. So führen wir zum Beispiel über Straßenlärm hinweg Telefongespräche. Dabei ist es erwiesen, dass der Druck auf die Stimmbänder bereits verdoppelt wird, wenn wir nur 6 Dezibel lauter sprechen. Unfassbar, wie ich finde.

Und nun?

Wenn wir jetzt spüren, wie unsere körperliche Regenerationsfähigkeit abnimmt, ist der Zeitpunkt gekommen, die reifende Sprechstimme zu unserer Ressource werden zu lassen. Dabei sollten wir zwei Dinge bedenken:

  1. dieses Reifen bedeutet, dass wir Abschied nehmen von unserer bisherigen, liebgewonnenen Stimme und dass wir die neuen Facetten als bereichernd erleben
  2. wir müssen unsere Stimme mehr denn je mit dem gesamten Körper im wahrsten Sinne des Wortes in Einklang bringen

Wir könnten also auch von einer altersangepassten Phonation sprechen.
Das bedeutet zum Beispiel ganz konkret, nicht angestrengt „aus dem Hals“ zu sprechen, sondern in entspannter Stimmlage mit Genuss die Resonanzen im ganzen Körper zu erleben. Damit klingen wir dann übrigens auch sicherlich nicht (mehr) mädchenhaft, sondern bezaubern mit einer reifen, vollen Frauenstimme. Das hat damit zu tun, dass wir bei der Stimme mit weniger Kraft und Druck mehr Raum und Klang erzielen. Wir dürfen wirklich darauf vertrauen, dass wir mit Gelassenheit raumfüllender klingen.

Und im Singen?

Für eine Sängerin bedeuten die stimmlichen Veränderungen durch die Wechseljahre vor allem eines: Angst. Der Kampf um die Tonhöhe, um die gewünschte fein geführte, klare Stimme und um den langen Atem – das alles ist eine Herausforderung für jede Sängerin und damit auch für jeden Chor. Und wenn der Chorleiter dann eine Sängerin zur Seite nimmt, um ihre stimmlichen Veränderungen mit ihr zu besprechen, sind das Momente, die gefürchtet und überdies oft als Eingriff in die Persönlichkeit empfunden werden. Dann diese Gedanken …

Immer Sopran gesungen – und plötzlich in den Alt geschickt! Wie schlimm ist das denn? Geht nicht die ganze Identität verloren? Zweite Stimme halten – kann ich das überhaupt? Bin ich dann noch zu hören? Ist es ein Abstieg? Bin ich jetzt alt?

Horst Coblenzer war der Ansicht: „gut gesprochen ist schon halb gesungen“. Und so müssen wir alles das, was für die alternde Sprechstimme gilt, für die Gesangsstimme nur noch konsequenter beherzigen. In diesem Lichte betrachtet sollten Chorleiter und Sängerin lieber früher als später das Gespräch suchen.
Nach meiner Erfahrung gehen Chöre in der Praxis unterschiedliche Wege:

  • die Sopranistin kann im Sopran bleiben – vielleicht mit individuellen Erleichterungen
  • die Sopranistin kann in den Alt wechseln
  • die Sopranistin muss sich mit 50 einen anderen Chor suchen
  • Profichöre nehmen oft nur Frauen unter 33 auf, um die stimmliche Durchmischung einigermaßen zu erhalten

In jedem Fall sollten alle SängerInnen täglich üben und möglichst regelmäßig Gesangunterricht nehmen. Nur durch gezielte Übungen können wir das (altersangemessene) Beste aus unserem hochindividuellen Instrument Stimme herausholen.
Und es führt kein Weg daran vorbei: alle Sängerinnen (und übrigens auch Sänger!) müssen sich mit dem Altern aussöhnen.
Wir gehen MIT der NATUR und erhalten uns unsere BEGEISTERUNGSFÄHIGKEIT.

Eine Chance?

Auf jeden Fall können die Wechseljahre eine stimmliche Chance darstellen: sie bescheren uns (nach der Pubertät) unseren zweiten Stimmwechsel. Und so darf unsere menschliche Reife in einer angemessenen Stimme und Sprechweise hörbar werden:

  • gelassen und souverän
  • klangvoll präsent
  • mit Bedacht und ohne Aufgeregtheiten
  • beratend und fürsorglich

In diesem Sinne sind die natürlichen Veränderungen in den Wechseljahren wieder schätzenswert, finden Sie nicht auch?

Nur Mut!

Mona Deibele kennt als Gesangspädagogin das Thema Wechseljahre aus nächster Nähe und bietet einen Kurs zum Thema „Wechseljahre und Stimme”