Ein Beitrag von Heide Billmann

…so sind in Niedersachsen die Stimmseminare für Lehrkräfte betitelt, die vom NLQ (Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung) finanziert werden, wenn sie von NLQ qualifizierten ReferentInnen durchgeführt werden – auch ich gehöre zu diesen ReferentInnen.
Im Sommer 2014 wurde ich durch einen kleinen Artikel im Forum Logopädie auf die geplante Qualifizierungsmaßnahme des NLQ aufmerksam. Da ich zu dem Zeitpunkt schon Stimmseminare für LehrerInnen gegeben hatte und mir klar war, dass, wenn ich dies weiter ausbauen möchte, ich diese Qualifizierung benötige (Kundenstamm und Finanzierung sichern), habe ich mich beworben und wurde wie 35 andere (überwiegend LogopädInnen) ausgewählt.

Im Folgenden möchte ich erst auf das Organisatorische eingehen, um dann kurz von meinen Erfahrungen zu berichten.
Die ersten Seminare wurden seit 2015 finanziert, durchgeführt von uns 36 entsprechend qualifizierten ReferentInnen. Die Qualifizierungsmaßnahmen fanden im Dezember 2014 an 2 Tagen in Hildesheim statt, begleitet von der HAWK, namentlich Frau Ulla Beushausen, Frau Hanna Ehlert und Frau Elin Rittich sowie Frau Birte Meier. Zwei Jahre lang wurden die Seminare dann durch die HAWK evaluiert. Die Studienergebnisse sind ausfürlich im FORUM Logopädie November 2018 nachzulesen (2 Artikel). Dementsprechend möchte ich nicht näher darauf eingehen.
Seit Herbst 2017 beteiligen sich zunehmend gesetzliche Krankenkassen an der Finanzierung der Seminare (im Rahmen von Prävention), sodass zuerst kleine Grundschulen (ca. 15 Lehrkräfte in der Schule) in den Genuss von Inhouse-Seminaren kamen. Vorher gab es nur für die 12 Kompetenzzentren die Möglichkeit diese Seminare auszurichten und refinanziert zu bekommen.
Seit Sommer 2018 gibt es jetzt die o.g. groß angelegte Kampagne (erneut mit finanzieller Unterstützung einiger gesetzlicher Krankenkassen) des NLQ, die es jetzt allen Schulen und Kompetenzzentren ermöglicht diese Seminare anzubieten. Die Kampagne läuft im Rahmen von Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement und ist mit Präventionskampagne „Stimme-Lärm-Akustik“ untertitelt. Es gab Pressekonferenzen des NLQ bzw. Kultusministeriums und die Medien haben ebenfalls verschiedentlich über die Kampagne und die Seminare berichtet.

Die Seminare sollen vom Rahmen her gleich ablaufen: 2 Tage Seminar (16 Einheiten a´45 Minuten) und 8-12 Teilnehmer. Das Seminar muss aber nicht an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden. Das NLQ hat jetzt mit Frau Beushausen verhandelt, dass sie ein einheitliches Skript für uns erstellt (erstellen lässt). Die Evaluation der Seminare, die 2017 nicht mehr stattgefunden hat, wird wieder aufgegriffen und fortgeführt. Gewünscht ist auch eine enge Verzahnung von unseren Stimmseminaren mit den Fachkräften für Arbeitssicherheit im Land (jeder Schule ist eine Fachkraft zugeteilt, die kostenfrei kontaktiert werden kann). Dabei geht es vor allem um die akustischen Voraussetzungen der Unterrichtsräume, Turnhallen und Lehrerzimmer.
Das NLQ hat eine Adressenliste mit allen ReferentInnen an die Schulen geschickt, damit diese  direkt jemanden, der möglichst ortsnah ist, kontaktieren können. Ein Seminar muss vorab beim NLQ beantragt und genehmigt werden.
Für 2019 ist erstmal noch die Finanzierung gesichert, wie viele Jahre es die Finanzierung noch geben wird weiß z.Zt. niemand.
Soweit zur Organisation.

Nun zu meinen persönlichen Eindrücken und Erfahrungen: nachdem v.a. in den ersten 2 Jahren die Organisation, Kommunikation und Finanzierung seitens des NLQ sehr undurchsichtig war und zu großem Unmut bei uns ReferentInnen geführt hat, ist die Nachfrage nach den Seminaren jetzt sehr deutlich gestiegen.
Den Namen des Seminars finde ich etwas irreführend, denn es gehört – wie wir ja wissen – zu einer guten Lehrkraft mehr als „nur“ eine starke Stimme. Als stimmbelastende Situation taucht deshalb in jedem Seminar das „Sprechen vor einer unruhigen/lauten Klasse“ auf. Ich greife da gerne auf das Schwarmwissen der TeilnehmerInnen zurück.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jede Gruppe in ihren Erwartungen und Ansprüchen anders ist:
So gibt es Gruppen, die sich viel Einzelcoaching wünschen – auch um von den anderen zu lernen, anderen Gruppen ist das zu langweilig oder sie finden Übungen mit allen zusammen effektiver. Teils liegt es daran, dass sich die TeilnehmerInnen nicht kompetent genug fühlen, Veränderungen wahrzunehmen oder andere haben die Befürchtung sich vor den KollegInnen zu blamieren. Dementsprechend bedarf jeder Seminartag neuer Vorbereitung. GrundschullehrerInnen möchten z.B. gerne singen, für BerufsschullehrerInnen ist das in der Regel kein Thema.

Durch die AAP® habe ich ein gut fundiertes theoret. und praktisches Wissen, wobei ich die Theorie im Seminar nur noch sehr kompakt weitergebe. Im Skript steht alles sehr viel ausführlicher. Abspann- und Artikulationsübungen sind für die LehrerInnen immer sehr nützlich und kommen gut an. Das Einzelcoaching finde ich nach wie vor problematisch, da LehrerInnen in Rollenspielen z.T. undisziplinierter als ihre SchülerInnen sind. Ich probiere da noch verschiedene Wege aus, um den jeweiligen Wünschen der TN gerecht zu werden und scheine da jetzt eine für mich und die TN gute Lösung gefunden zu haben.

Die Aufklärung über die Wichtigkeit der Raumakustik ist sinnvoll und sorgt vereinzelt für Aha-Effekte, die Überprüfung von Räumen und eine entsprechende Beratung ist auch kostenlos, die baulichen Maßnahmen jedoch müssten durch die jeweilige Kommunen finanziert werden, die bekanntermaßen eher knapp bei Kasse sind. Viele TN sind diesbezüglich also leider schon desillusioniert und frustriert.

Ich halte es trotz aller Probleme für sinnvoll, Stimmseminare für Lehrkräfte anzubieten. Da der positive Effekt jetzt auch durch die Studie belegt ist, wäre vielleicht auch für andere Bundesländer eine solche Präventionsmaßnahme denkbar. Die Nachbarländer NRW, Hessen, Bremen, Hamburg Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt könnten die Niedersächsischen TrainerInnen in Anspruch nehmen. Und natürlich können wir als AAP®ler unser Knowhow einbringen. Auch Berufsgruppen wie ErzieherInnen oder Pflegekräfte könnten langfristig von solchen Angeboten profitieren, wenn sie nicht gerade andere berufspolitische Sorgen hätten.
Auch wenn meine Hauptarbeit weiterhin die logopädische Therapie bleiben soll, finde ich diese Seminare und das Coaching ungemein spannend. Wer dazu noch Fagen oder Anregungen hat, darf sich sehr gerne bei mir melden.