Ein Beitrag von Anja Sportelli

Jede Stimme ist einzigartig. Jeder Mensch verfügt über eine Stimme, die ihn genauer identifiziert als der eigene Fingerabdruck. Über die Stimme kommunizieren wir, wobei wir eindeutige aber auch zweideutige Botschaften übermitteln können. Eine vielzitierte aber auch vielkritisierte Studie von Mehrabian bemisst den Grad der Wirkung, die wir über die Stimme erzielen mit 38 % (Im Vergleich Körpersprache 55%, Inhalt 7%). Kritisiert wird dieses Ergebnis vor allem deshalb, weil es suggeriert, dass diese Verteilung Kultur- und situationsübergreifend besteht. Das Ergebnis macht aber dann Sinn, wenn man bedenkt dass die differenzierte Sprache wahrscheinlich erst spät (vor ca. 200.000 Jahren) in der Menschheitsgeschichte (Auftreten des Homo vor 3-2 Millionen Jahren) aufgetreten ist und wir uns demzufolge die längere Zeit über Laute und Körpersprache (analog) verständigt haben. Wenn also der Körper oder die Stimme etwas anderes sagen, als die Worte die gesprochen werden, so sind wir sehr sicher in der Lage zu erkennen, dass hier etwas nicht stimmt, weil es Teil unseres evolutionären Erbes ist.

Nehmen wir einen einfachen Satz wie: Hey, das hast Du ja toll hingekriegt! Dieses Satz kann man so sprechen, dass Inhalt und Tonfall kongruent sind, eine bestätigende Geste wird vielleicht in Richtung des Gelobten gehen. Man kann ihn aber auch so sprechen, dass der Sarkasmus hörbar wird, wobei die Körpersprache möglicherweise auch Ablehnung suggeriert. Maßgeblich für die Interpretation sind hier sicher nicht die Worte, sondern Tonfall und Körpersprache.

Die Stimme ist der Träger sowohl für die analoge wie auch die digitale Kommunikation. Es spielt eine Rolle was wir sagen, aber auch wie wir es sagen. Laut Watzlawik gibt es in der analogen Kommunikation eine Analogie (z.B. eine Zeichnung, eine Geste) zu dem Kommunikationsgegenstand. In der digitalen Kommunikation hat der Gegenstand einen Namen, der zunächst scheinbar nichts mit dem Objekt gemein hat. Die analoge Kommunikation ist die ältere Kommunikationsform, sie hat archaische Wurzeln. Ganzheitliche menschliche Kommunikation findet unter der Verwendung beider Formen statt und ist erst dann kongruent. Kommunikative Missverständnisse bis hin zu double-bind Botschaften entstehen in dem Widerspruch beider Formen. Wir können inhaltlich etwas anderes erzählen, als wir tatsächlich körpersprachlich und stimmlich ausdrücken. Glaubwürdig ist das nicht.

In der AAP trainieren wir die Kongruenz beider Kommunikationsformen. Analoge Botschaften der Stimme wie Heiserkeit (Rauheit, Behauchtheit) werden aufgezeigt, häufig genug liegt hier keine Stimmstörung zu Grunde, sondern eine unklare Intention oder schlichtweg Lampenfieber. Da die Stimme aber eine Art hörbare Körpersprache ist, werden wir Spannungszustände im Körper wahrnehmen lernen, die in der Folge auf die Atmung wirken. Alle diese Faktoren beeinflussen auch die Artikulation, so dass artikulatorische Nachlässigkeiten ihren Ursprung häufig in anderen Bereichen haben.

Das AAP-Stimmtraining fördert insgesamt das Verständnis für die Stimme als Träger der analogen Kommunikation, als Sprache der Beziehung und der Emotion. Klingen Stimmen heute häufig monoton, dünn, starr, gehalten oder gedrückt, so liegt es nicht zuletzt daran, dass wir die Stimme nur noch als Träger der digitalen Kommunikation sehen. Wir versuchen Emotionen aus der Stimme herauszuhalten und konzentrieren uns beispielsweise in Präsentationen nur noch darauf, Inhalte visuell zu übermitteln. Standardphrasen und Formulierungen führen zu einer Routinemodulation, die nicht echt und authentisch wirkt. Auf die Art und Weise nehmen wir der Stimme das, was sie erst zu unserem Hauptkommunikationsinstrument macht: Ihre Unverwechselbarkeit, ihren enormen Variantenreichtum, ihr Klangspektrum, ihre Fähigkeit unsere Persönlichkeit zu offenbaren, ihre Fähigkeit, Beziehung zu ermöglichen und zu gestalten.

  • Konzentrieren Sie sich in Ihrer nächsten Präsentation (auch andere Sprechsituationen sind möglich) nicht auf Ihre vorbereiteten Folien, sondern auf die Reaktionen der Zuhörer
  • Schaffen Sie ein Klima, indem ein Dialog mit Ihrem Publikum möglich ist, so dass Ihr Sprechen häufiger spontan und aus dem Sprechdenken heraus geschieht.
  • Versuchen Sie dabei, auch sich selbst wahrzunehmen: ob Sie beispielsweise irgendwo zuviel Spannung spüren, ob Ihr Atem fließt und wo Sie ihn wahrnehmen können.
  • Wenn Sie zudem inhaltlich sicher sind, werden Ihre Antworten und Ihr Redebeitrag gleichermaßen kompetent und interessant wirken.